Wenn du diesen Beitrag liest, hast du vielleicht schon meinen gestrigen Auftakt zur Awareness-Woche gesehen. Heute möchte ich erzählen, wie sich PEM oder ein Crash für mich anfühlt – ganz persönlich, so wie ich es erlebe.
Denn PEM ist nicht einfach nur „Erschöpfung“. Es ist ein ganzer Absturz, körperlich, geistig, emotional.
Körperlich: zusammensacken, zurückziehen, durchhalten
Manchmal ist es einfach nur totale Kraftlosigkeit – ich kann mich kaum noch halten und möchte am liebsten einfach nur zusammensacken. An anderen Tagen kommen noch Schmerzen in allen Gelenken dazu. Selbst kleine Bewegungen tun weh. Ich spüre richtig, wie mein Körper in den Notmodus geht – als wollte er sagen: „Nichts mehr. Kein bisschen.“
Geistig: Overload oder Nulllinie
Geistig ist PEM für mich wie ein extremer Reizüberflutungszustand – nichts geht mehr rein, alles stürmt auf mich ein, und gleichzeitig kann ich keinen einzigen klaren Gedanken mehr fassen. Oder es ist einfach nur Stille im Kopf. Normalerweise denke ich ja nicht in Worten, sondern „höre“ oder „sehe“ meine Gedanken bildhaft. In einer akuten PEM-Phase ist da: nichts. Leere.
Emotional: grau, verzweifelt, leer
Auch emotional ist PEM eine Achterbahn – oder eher ein Absturz. Ich fühle mich völlig grau oder manchmal auch tief verzweifelt. Nur: Fürs Weinen fehlt mir dann die Kraft. Ich kann es nicht rauslassen, nicht einordnen, nicht beruhigen. Ich bin einfach in diesem Zustand gefangen – passiv und ausgeliefert.
Wie es dazu kommt
Ich bekomme PEM vor allem, wenn ich zu viele Termine an mehreren Tagen hintereinander habe – zum Beispiel:
- Ein Arbeitstag mit 50 km Anfahrt (je nach Verkehr bis zu 1 Stunde),
- danach noch ein Zahnarzttermin,
- und am nächsten Tag gleich wieder raus zur nächsten Verpflichtung.
Ein einzelner Tag mit einem Termin geht meist – aber wenn ich drei Tage hintereinander zu viel draußen bin, ist es fast sicher: PEM wird kommen. Mehr dazu im nächsten Blogbeitrag!
Die ersten Warnzeichen
Früher habe ich es gar nicht als PEM erkannt. Ich dachte, ich hätte eine Nebenhöhlenentzündung, weil es mit Schmerzen dort begann. Heute merke ich es früher: Schmerzen in den Händen und Beinen, ein dumpfes Ziehen, ein Gefühl, als würde ich innerlich nach unten gezogen – wie in Zeitlupe abgesenkt. Dann weiß ich: Stopp. Jetzt bloß nicht weitermachen – sonst crashe ich und lande im PEM.
Wenn ich mich nicht rechtzeitig stoppe oder stoppen kann, lande ich im unmittelbaren Zusammenbruch: Mein Körper macht plötzlich nicht mehr mit. Ich werde schwach, zittrig, mein Kreislauf sackt ab – eine Art akutes Warnsignal. Wenn ich in diesem Zustand nicht sofort reagiere, folgt häufig die viel schwerer wiegende Phase: PEM, mit all ihren Symptomen und der (bei mir) oft tage- oder wochenlangen Verschlechterung, bei manchen Betroffenen sogar eine dauerhaft Verschlechterung bringt.
Wenn PEM da ist – Leben im Ausnahmezustand
Mit PEM fühle ich mich richtig krank. Früher ging ich damit automatisch ins Bett – heute bleibe ich meist auf dem Sofa, trinke viel, schaue seichte Filme, bei denen ich nicht mitdenken muss.
Alles, was kognitiv fordert oder körperlich anstrengend ist, fällt weg.
Ich schaffe es dann nur einmal am Tag die Treppe runter ins Wohnzimmer – und abends wieder rauf ins Bett. Kein Haushalt, keine sozialen Kontakte, kein Bildschirm mit hellen Farben. Nur Ruhe.
Früher hat mich dieser Zustand völlig überfordert. Ich wollte ihn einfach nicht akzeptieren. Heute weiß ich: Das Beste, was ich tun kann, ist nichts. Und das ist schwer genug.
Was mir hilft: mein Bullet Journal. Damit vergesse ich nichts und kann loslassen. Ich weiß, die Dinge laufen nicht weg – ich hole sie einfach nach, wenn es mir wieder besser geht.
Emotionaler Umgang: Frust & Akzeptanz
Der schwerste Teil war für mich, das alles zu akzeptieren.
Und manchmal bin ich ehrlich gesagt auch heute noch frustriert – aber: Ich weiß jetzt, dass es richtig ist, mich zu schonen. Es ist kein Aufgeben. Es ist Selbstfürsorge.
Wenn du wissen willst, wie es sich anfühlt …
… dann stell dir einen heftigen Jetlag vor,
plus Kater
plus eine Grippe.
Alles auf einmal. Und dann stell dir vor, es hört nicht einfach nach ein paar Stunden auf.
Das hier ist mein persönliches Erleben von PEM
So individuell ME/CFS ist, so unterschiedlich ist auch ihr Verlauf. Schwer- und Schwerstbetroffene erleben noch weit gravierendere Einschränkungen und Symptome über einen viel längeren Zeitraum, selbst wenn das kaum vorstellbar erscheint.
Morgen geht’s weiter mit dem nächsten Beitrag:
„Was bei mir PEM auslöst – oft sind es die kleinen Dinge“
💙
Julia