Der Mai ist ME/CFS-Awareness-Monat. Deshalb schreibe ich in dieser Woche jeden Tag einen Blogbeitrag über PEM – das Hauptsymptom von ME/CFS. Für Außenstehende ist es oft schwer zu verstehen oder nachzuvollziehen. Deshalb versuche ich in dieser Blogreihe, es verständlicher zu machen.
„Ich bin manchmal auch so erschöpft – ich weiß, wie du dich fühlst.“
Wenn du ME/CFS hast, kennst du solche Sätze vermutlich. Sie sind ohne Frage gut gemeint – aber leider völlig daneben. Denn das, was wir ME/CFS-Betroffene erleben, ist keine normale Erschöpfung. Es ist PEM – Post-Exertional Malaise, auf Deutsch meist mit „Belastungsintoleranz“ oder „Verschlechterung nach Anstrengung“ übersetzt. Klingt harmlos. Ist es aber nicht.
Was ist PEM eigentlich?
PEM ist das Leitsymptom von ME/CFS. Ohne PEM keine Diagnose. Und trotzdem ist es eines der am schwersten zu erklärenden Symptome – gerade für Menschen, die gesund sind.
Im Kern bedeutet PEM:
➡️ Selbst kleine körperliche, geistige oder emotionale Belastungen können eine massive, verzögerte Zustandsverschlechterung auslösen.
➡️ Diese Verschlechterung tritt häufig nicht sofort auf, sondern oft erst Stunden später – manchmal nach 12, 24 oder sogar 48 Stunden.
➡️ Die Erholungszeit ist nicht proportional zur Anstrengung. Es geht nicht um „ein bisschen mehr ruhen“. Der Körper ist in der Krise.
Viele Betroffene nennen es auch einen „Crash“, was das Gefühl auch am ehesten trifft.
Wie sich das auswirkt
Während gesunde Menschen nach Belastung müde sind – vielleicht erschöpft – und sich durch Schlaf erholen, fühlt sich PEM an wie:
- ein Rückfall
- eine Grippe ohne Fieber
- ein Totalausfall von Denken, Bewegen, Fühlen
- ein heftiger Kater plus Jetlag
- und vor allem: kein Ende in Sicht
Typisch sind unter anderem:
- starke Schwäche, die zum Liegen zwingt
- Muskel- und Gelenkschmerzen
- „Brain Fog“ – kognitive Ausfälle bis hin zu Wortfindungsstörungen
- Kreislaufprobleme, Schwindel, Reizempfindlichkeit
- ein Gefühl von Entzündung im ganzen Körper
- Herzrasen bei minimaler Belastung
Beispiele für PEM aus meinem Alltag
- Die Rückfahrt nach einem Arbeitstag
- Manchmal reicht ein Telefonat.
- Oder Duschen.
- Oder ein zu voller Kalender.
- Oder Einkaufen.
Und dann kommt es zu PEM. Bei mir mittlerweile fast unmittelbar in oder nach der Situation – bei anderen kann es bis zu 48 Stunden dauern.
Das Schlimme daran ist: Auch Dinge, die mir gut tun, können PEM auslösen.
Ich kann durch Lachen und positive Aufregung in eine Krise geraten. ME/CFS ist es egal, ob das „Zuviel“ positiv oder negativ ist.
Warum ich darüber schreibe
Heute ist der Auftakt einer kleinen Blogserie zum ME/CFS-Awareness-Day am 12. Mai.
Ich werde bis dahin jeden Tag einen kurzen Beitrag zu einem Aspekt von PEM veröffentlichen – aus meiner Sicht, mit meinen Erfahrungen.
Denn das Thema braucht mehr Sichtbarkeit.
Und wir Betroffenen brauchen mehr Verständnis – von Ärzt*innen, der Politik, aber auch einfach im Alltag.
Was du tun kannst
Wenn du selbst betroffen bist: Vielleicht erkennst du dich in meinen Worten wieder.
Wenn du Angehörige*r bist: Vielleicht verstehst du jetzt ein Stück besser, warum „Du musst dich nur mal richtig ausruhen“ nicht hilft.
Und wenn du einfach zufällig hier bist: Danke fürs Lesen. Schon das ist ein Zeichen von Solidarität.
Morgen geht’s weiter mit dem nächsten Beitrag:
„Wie sich PEM für mich anfühlt – ein Einblick in meinen Körper“
💙
Julia