Was PEM nicht ist – und warum es so oft missverstanden wird

Was PEM nicht ist – und warum es so oft missverstanden wird

Wenn man über ME/CFS spricht, kommt man an PEM – der Post-Exertional Malaise – nicht vorbei. Und doch ist gerade dieses Leitsymptom für Außenstehende oft schwer zu verstehen.
Deshalb möchte ich heute nicht nur erklären, was PEM ist, sondern vor allem:
Was es nicht ist.

„Du bist halt erschöpft.“ – Nein.

Ich habe im Lauf der Jahre viele gut gemeinte Ratschläge gehört – allesamt Klassiker für ME/CFS-Betroffene:

„Schläfst du denn genug?“
„Trinkst du ausreichend Wasser?“
„Ich bin auch oft erschöpft – das liegt bestimmt am Übergewicht.“
„Hast du schon Yoga/dieses Nahrungsergänzungsmittel/Diät probiert?“

Aber PEM hat mit „normaler“ Müdigkeit oder Erschöpfung nichts zu tun.
Wenn man müde ist, hilft in der Regel eine Pause, eine gute Nacht, ein freies Wochenende oder ein Urlaub.
Ich dachte lange, meine Erschöpfung käme davon, dass ich Mutter geworden war – aber auch ein Tag in der Sauna oder ein Kurzurlaub änderten nichts.

Die Erschöpfung war zu tief, um einfach „wegzugehen“.
Und an Sauna ist für mich heute gar nicht mehr zu denken – die nächste wäre 25 Minuten entfernt, eine Strecke, die ich kenne. Aber ich wäre danach zu erschöpft, um noch nach Hause zu kommen.

Wie sich PEM unterscheidet

Nach einem Tag mit zu viel Belastung wache ich am nächsten Morgen nicht erfrischt oder erholt auf, sondern fühle mich:

  • elend,
  • fiebrig,
  • manchmal so schwach, dass ich nicht mal aus dem Bett komme, selbst wenn ich es will. Das ist aber zum Glück mittlerweile nur noch sehr, sehr selten.

Das ist PEM. Eine Zustandsverschlechterung nach Anstrengung – egal ob körperlich, geistig oder emotional.
Und diese Verschlechterung kann Tage oder sogar Wochen anhalten.

PEM und die anderen

Ich habe das Glück, dass ich mich im Gegensatz zu vielen Schwerstbetroffenen auch im PEM noch verständlich machen kann.
Ich rede offen mit meiner Familie und mit Freund*innen über meine Grenzen – das hilft.
Aber in der medizinischen Welt wurde ich oft nicht ernst genommen:
Meine ehemalige Hausärztin diagnostizierte ein Burnout. Die Psychiaterin, die mich daraufhin behandelte, erkannte allerdings: „Hier passt etwas nicht – das ist kein Burnout.“ Nur hat sie dann leider auch nicht weitergedacht, so dass weitere 8 Jahre vergingen, bis ich die richtige Diagnose hatte.

Was PEM nicht ist – im Vergleich

Früher mochte ich die Löffeltheorie – und ich finde, sie hilft vielen chronisch Kranken.
Aber für ME/CFS und speziell für PEM passt sie für mich nicht ganz. Denn:
Es geht nicht nur um „weniger Energie“, sondern um eine kaputte Energiespeicherung.

Ich vergleiche meinen Zustand deshalb gern mit einem Handy-Akku, der defekt ist:

  • Er lädt langsamer,
  • er entlädt sich schneller,
  • und manchmal lädt er gar nicht mehr – egal, wie lange man ihn ansteckt.

Abgrenzung zu anderen chronischen Erschöpfungszuständen

Natürlich gibt es auch bei anderen Erkrankungen chronische Erschöpfung – z. B. bei Krebs, nach einer Chemotherapie oder bei Autoimmunerkrankungen.
Was aber den entscheidenden Unterschied ausmacht, ist:
Es gibt bei diesen Erkrankungen keine PEM – keine zeitverzögerte, anhaltende Verschlechterung des gesamten Zustands nach Aktivität.

Soweit ich es weiß, erleben viele Betroffene dieser und anderer Erkrankungen Erschöpfung, aber eben keinen Absturz nach kleinen Belastungen. Kein „Ich habe gestern eingekauft – und liege heute und für die nächsten zwei Tage flach.“

Warum das wichtig ist

Weil es so schwer zu erklären ist, wird PEM oft verharmlost – oder missverstanden.
Aber für uns Betroffene macht es den Unterschied zwischen einem machbaren Tag und einem, der uns wochenlang aus der Bahn wirft.

Morgen geht’s weiter mit meinem Newsletter „chronisch optimistisch“.
Da dieser nicht speziell für ME/CFS-Erkrankte ist, teile ich dort etwas allgemeinere Tipps zum Thema chronische Erschöpfung. Hier kannst du dich zum Newsletter anmelden!
Und am Montag kommt dann „12 Bilder vom 12. Mai 2025“ mit Bildern von der Liegend-Demo in Köln!

💙
Julia

Alle Blogbeiträge dieser Reihe über PEM auf einen Blick:

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