Hallo!
Kennst du das auch? Du sitzt seit über einer Stunde im Wartezimmer, obwohl du pünktlich zu deinem Termin warst. Die Sprechstundenhilfe wirkt gestresst und unfreundlich, und als du endlich drankommst, hast du das Gefühl, dass der Arzt dir nicht richtig zuhört.
Erst diese Woche habe ich das wieder erlebt – obwohl ich schnell dran war und die Sprechstundenhilfe nett war. Die Ärztin hingegen sprach mir die Symptome ab, die ich habe, meinte, sie habe ja Erfahrung mit Neuroborreliose, das könne es bei mir nicht sein (trotz aller Symptome nach dem Lehrbuch) und die wäre ja eh so selten. Ach ja, und ich solle mich nicht so sehr darauf konzentrieren und Nahrungsergänzungsmittel würden nicht helfen. Ich kam wutentbrannt aus der Praxis, habe dann diese Wut in Energie zur Recherche von Nahrungsergänzungsmitteln umgesetzt, meinen Plan optimiert und neue bestellt. Und siehe da: seit 3 Tagen werden die Symptome immer besser.
Gerade mit chronischen Erkrankungen wie ME/CFS erleben wir solche Situationen leider viel zu oft – und sie sind besonders belastend, wenn wir ohnehin schon wenig Energie haben.
Heute möchte ich mit dir über ein Thema sprechen, das mir sehr am Herzen liegt: unsere Rechte als Patienten und wie wir würdevoll damit umgehen können, wenn die Realität in Arztpraxen nicht unseren Erwartungen entspricht.
Wenn Wartezimmer zu Geduldsprüfungen werden
Letzte Woche saß ich wieder mal über eine Stunde im Wartezimmer einer Fachpraxis. Eigentlich hatte ich einen festen Termin, aber wie so oft lief der Praxisablauf nicht nach Plan. Mit ME/CFS sind solche ungeplanten Wartezeiten besonders anstrengend – die Energie, die ich für den Arztbesuch eingeplant hatte, war schon zur Hälfte aufgebraucht, bevor ich überhaupt ins Sprechzimmer kam.
Aber während ich dort saß, dachte ich: Wie viele von uns kennen eigentlich ihre Rechte als Patienten? Und noch wichtiger: Wie können wir diese Rechte einfordern, ohne dabei in Konflikte zu geraten, die uns am Ende noch mehr Energie kosten?

Unsere Rechte als Patienten – mehr als nur Theorie
Das Recht auf Information
Wir haben das Recht, auf Nachfrage informiert zu werden, warum sich ein Termin verzögert und, wenn möglich, wie lange die Wartezeit etwa noch dauern wird. Wobei das bei Notfällen manchmal einfach nicht abzusehen ist. In diesen Momenten übe ich mich in Dankbarkeit, dass ich nicht der Notfall bin, auch wenn es schwierig ist, meine begrenzte Energie entsprechend einteilen müssen.
Das Recht auf Würde und Respekt
Jeder Patient verdient eine respektvolle Behandlung – unabhängig davon, ob die Praxis überfüllt ist oder das Personal gestresst. Das bedeutet auch, dass unsere Beschwerden ernst genommen werden müssen, auch wenn sie „unsichtbar“ sind wie bei ME/CFS. Dieses Recht ist im Patientenrechtegesetz (§ 630a BGB) explizit genannt und schützt uns vor diskriminierender oder respektloser Behandlung..
Das Recht auf angemessene Behandlungszeit
Ein Arzttermin sollte ausreichend Zeit für unsere Anliegen bieten. Wenn wir das Gefühl haben, abgefertigt zu werden, können wir höflich nachfragen oder um einen längeren Folgetermin bitten.
Das Recht auf eine zweite Meinung
Besonders bei chronischen Erkrankungen, die noch nicht gut verstanden werden, ist eine zweite Meinung oft wertvoll. Wir dürfen uns nicht schlecht fühlen, wenn wir dieses Recht in Anspruch nehmen. Die zweite Meinung hilft dir, informierte Entscheidungen zu treffen und gibt dir Sicherheit – auch wenn die Ärzte unterschiedliche Ansätze haben
Das Recht auf Begleitung
Egal, ob beim Arzt oder in einer Klinik – du darfst eine Begleitung mitnehmen! Mein Mann und ich machen das, wenn wir Ärzte zum Beispiel noch nicht kennen oder bei Terminen, bei denen wir schon vorher wissen, dass es wichtig ist, die Ansichten von uns beiden dem Arzt mitzuteilen. Bitte informiere dich vorher, ob es coronabedingt oder aus anderen Gründen besondere Regelungen gibt.
Alles Rechte und weitere Informationen findest du auf diesen Webseiten:
- Patientenbeauftragte der Bundesregierung:
https://patientenbeauftragter.de/ - Deutsche Patientenhelfer (z.B. Weißer Ring, Patientenberatung Deutschland):
https://www.patientenberatung.de/ - Handlungshilfen rund um Zweitmeinungen: von der Verbraucherzentrale:
https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/gesundheit-pflege/aerzte-und-kliniken/aerztliche-zweitmeinung-was-die-krankenkasse-zahlt-13493 - Gesetzestext Patientenrechtegesetz (§§ 630a ff BGB)
https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__630a.html
Rechtlicher Hinweis:
Ich habe die wichtigsten Patientenrechte nach bestem Wissen und Gewissen zusammengestellt, basierend auf dem Patientenrechtegesetz (§§ 630a ff. BGB) und anderen relevanten Regelungen. Dieser Newsletter ersetzt keine individuelle Rechtsberatung. Wenn du ein konkretes Problem hast oder unsicher bist, wende dich bitte an offizielle Beratungsstellen wie die Patientenbeauftragte der Bundesregierung oder die unabhängige Patientenberatung.

Wenn Professionalität auf der Strecke bleibt
Manchmal erleben wir in Praxen Situationen, die einfach nicht akzeptabel sind: Unfreundliches Personal, Ärzte, die uns nicht ausreden lassen, oder sogar diskriminierende Bemerkungen über unsere Erkrankung. Hier sind einige Strategien, die mir geholfen haben:
Die sanfte Konfrontation:
„Ich habe das Gefühl, dass meine Anliegen nicht ernst genommen werden. Können wir das nochmal besprechen?“ Oft reicht es, die Situation bewusst zu machen.
Dokumentation:
Bei wiederholten Problemen schreibe ich mir Notizen auf: Datum, Uhrzeit, was passiert ist. Das hilft, falls ich mich später beschweren möchte.
Die Praxis wechseln:
Manchmal ist es das Beste für unsere Gesundheit, eine neue Praxis zu suchen. Das ist kein Versagen, sondern Selbstfürsorge.

Wann eine zweite Meinung sinnvoll ist
Eine zweite Meinung einzuholen ist besonders wichtig, wenn:
- Die Diagnose unklar bleibt oder sich häufig ändert
- Die vorgeschlagene Behandlung sehr invasiv ist
- Du das Gefühl hast, nicht verstanden zu werden
- Die Symptome sich trotz Behandlung verschlechtern
- Du grundsätzlich Zweifel an der Diagnose oder Therapie hast
Bei ME/CFS habe ich die Erfahrung gemacht, dass Ärzte oft sehr unterschiedliche Ansätze haben. Eine zweite oder sogar dritte Meinung kann deshalb Gold wert sein.
Praktische Tipps für den Praxisalltag
Vorbereitung ist alles!
Ich schreibe mir vor jedem Arzttermin eine Liste mit meinen wichtigsten Fragen und Anliegen auf. So vergesse ich nichts, auch wenn ich müde oder nervös bin.
Begleitung mitnehmen
Bei wichtigen Terminen nehme ich manchmal meinen Partner oder eine Freundin mit. Eine weitere Person kann uns unterstützen und bei der Nachbereitung helfen.
Grenzen kommunizieren
„Ich habe heute nur begrenzt Energie. Könnten wir die wichtigsten Punkte zuerst besprechen?“ So signalisiere ich meine Bedürfnisse klar.
Nachfragen erlaubt
„Könnten Sie das nochmal erklären?“ oder „Was bedeutet das konkret für mich?“ – Nachfragen ist unser Recht!
☕️Die kleine Auszeit
Nimm dir 5 Minuten Zeit und denke über deine letzten Arztbesuche nach: Gab es Situationen, in denen du dich unwohl gefühlt hast? Was hättest du dir anders gewünscht? Manchmal hilft es schon, diese Gefühle zu benennen, um beim nächsten Mal selbstbewusster aufzutreten.
💝Praktische Umsetzung
Für diese Woche:
- Erstelle eine Liste mit Fragen für deinen nächsten Arzttermin
- Recherchiere deine Patientenrechte (die Patientenbeauftragte deines Bundeslandes hat oft gute Informationen)
- Überlege, ob eine zweite Meinung bei einem deiner gesundheitlichen Themen sinnvoll wäre

Für den nächsten Arztbesuch:
- Komme 10 Minuten früher, um dich zu sammeln
- Teile höflich mit, wenn du lange Wartezeiten nicht gut verträgst
- Vergiss nicht: Du bist der Patient und verdienst respektvolle Behandlung
Denk immer daran: Als Patient mit einer chronischen Erkrankung bringst du bereits so viel Mut und Stärke mit. Du verdienst es, dass diese Stärke auch im Gesundheitssystem anerkannt und respektiert wird.
Über die Autorin
Julia Stüber ist zertifizierte Health & Wellness Coach (CPD), Ernährungsberaterin und Autorin. Mit über 15 Jahren Erfahrung schreibt sie über chronische Erkrankungen, Ernährung, Selbstfürsorge und kreative Bewältigungsstrategien. Als selbst Betroffene von ME/CFS und Zöliakie verbindet sie persönliche Erfahrung mit fundiertem Fachwissen.Mehr über Julia erfahren | Newsletter abonnieren