Die letzten Wochen waren für mich wieder sehr herausfordernd. Zusätzlich zum ME/CFS habe ich vor zwei Wochen auch noch eine Borreliose bekommen – mit dem vollen Paket: Gangunsicherheit, Schmerzen (vor allem in den Händen), Fieber und Brain Fog. Ehrlich gesagt fühlt es sich an, als würde mein Körper gerade an mehreren Fronten kämpfen. Doch gerade in solchen Momenten zeigen sich die kleinen Rituale, die ich mir über die Jahre aufgebaut habe, als echte Kraftquellen.
Vielleicht kennst du das auch: Tage, an denen schon das Aufstehen eine Herausforderung ist. An denen selbst einfache Dinge wie unüberwindbare Berge wirken. An denen sich mein sonst so optimistischer Blick wie ein viel zu schwerer Mantel anfühlt.
Für genau diese Tage möchte ich heute mit dir teilen, was mir hilft – nicht, um schwere Gefühle wegzuzaubern, sondern um sie liebevoll zu begleiten.
🌟 Der Unterschied zwischen Durchhalten und Sich-kümmern
Lange Zeit dachte ich, ich müsste an solchen Tagen besonders stark sein: Zähne zusammenbeißen, funktionieren, so tun, als wäre alles normal. Das ist Durchhalten – und es führt meist nur dazu, dass wir uns noch erschöpfter fühlen.
Sich-kümmern ist etwas anderes. Es bedeutet anzuerkennen: „Heute ist ein schwerer Tag, und das ist okay. Wie kann ich mir jetzt am besten helfen?“
Diese Haltungsänderung war ein Wendepunkt für mich. Statt gegen meine Grenzen anzukämpfen, lerne ich, sie als wertvolle Signale meines Körpers zu respektieren.
Durchhalten sagt: „Ich muss das schaffen, egal wie.“
Sich-kümmern sagt: „Was brauche ich gerade wirklich?“
Deine Erste-Hilfe für die Seele
So wie wir einen Erste-Hilfe-Kasten für körperliche Verletzungen haben, brauchen wir auch emotionale Erste-Hilfe-Strategien für schwere Tage. Hier sind die Dinge, die mir helfen:
🛌 Mikro-Rituale für Bett-Tage
- Der 3-Atemzüge-Reset
Drei bewusste, tiefe Atemzüge mit der Hand auf dem Herzen. Das signalisiert meinem Nervensystem: „Du bist sicher. Du darfst zur Ruhe kommen.“ - Die Dankbarkeits-Berührung
Ich berühre sanft meinen Arm oder meine Hand und denke: „Danke, dass du heute für mich da bist.“ Auch wenn der Körper schmerzt – er trägt mich durch den Tag.

- Das Fenster-Ritual
Wenn möglich, schaue ich für einen Moment aus dem Fenster. Himmel, Wolken, Bäume – sie erinnern mich daran, dass die Welt größer ist als mein Schmerz.
📱 Digitale Helfer ohne Überforderung
- Die 15-Minuten-Playlist
Eine kurze Playlist mit beruhigenden Liedern – nicht zum Aufmuntern, sondern zum sanften Begleiten meiner Gefühle. - Sprachnachrichten an mich selbst
Manchmal nehme ich eine kurze Nachricht für mich auf: „Du machst das gut. Es ist okay, dass heute schwer ist.“ An solchen Tagen höre ich sie mir an – wie ein Brief von einer verständnisvollen Freundin.
🍃 Minimale Selbstfürsorge
- Der Waschlappen-Moment
Wenn Duschen zu viel ist: Ein warmer (oder an heißen Tagen kühler) Waschlappen im Gesicht kann schon ein kleines Geschenk sein. - Wasser trinken als Ritual
Jeden Schluck bewusst trinken – mit dem Gedanken: „Ich sorge für mich.“

- Die Kuscheldecken-Zeremonie
Die weichste Decke holen und mich bewusst einwickeln. Mein Zeichen: Jetzt ist Ruhezeit.
Was hilft, wenn gar nichts mehr geht?
An meinen allerschwersten Tagen reduziere ich alles auf das Minimum:
✨ Atmen – mehr muss ich nicht schaffen
✨ Trinken – einen Schluck nach dem anderen
✨ Weinen – wenn es kommt, darf es da sein
✨ Liegen – ohne schlechtes Gewissen
✨ Sein – einfach nur da sein, ohne etwas leisten zu müssen
Die „Heute-reicht-es“-Liste
IFür Tage, an denen ich denke, ich hätte „nichts geschafft“, habe ich eine kleine Liste geschrieben:
- Heute war ich da
- Heute habe ich geatmet
- Heute war ich freundlich zu mir
- Heute habe ich durchgehalten
- Heute war genug
☕️ Die kleine Auszeit
Nimm dir 5 Minuten und überlege: Welche winzig kleinen Rituale tun dir gut, auch wenn du kaum Energie hast?
💝 Praktische Umsetzung
- Schreibe dir eine „Erste-Hilfe-Liste“ mit 5–7 Mikro-Ritualen
- Erstelle eine Playlist mit beruhigender Musik
- Packe dir eine „Schlechte-Tage-Box“ mit Tee, Socken, Notizbuch
- Speichere dir die Nummer einer Vertrauensperson, die du anrufen kannst
Denk daran: Es zählt nicht, ob diese Rituale anderen helfen – nur, ob sie dir helfen. Deine Erste-Hilfe-Strategien sind so individuell wie du selbst.
An schweren Tagen sind wir nicht weniger wert. Wir sind Menschen, die gerade eine besonders schwere Zeit durchleben – und verdienen alle Fürsorge der Welt. Besonders unsere eigene.
Über die Autorin
Julia Stüber ist zertifizierte Health & Wellness Coach (CPD), Ernährungsberaterin und Autorin. Mit über 15 Jahren Erfahrung schreibt sie über chronische Erkrankungen, Ernährung, Selbstfürsorge und kreative Bewältigungsstrategien. Als selbst Betroffene von ME/CFS und Zöliakie verbindet sie persönliche Erfahrung mit fundiertem Fachwissen.Mehr über Julia erfahren | Newsletter abonnieren