Neulich beim Einkaufen ist mir wieder aufgefallen, wie riesig mittlerweile das glutenfreie Regal im Supermarkt geworden ist. Nicht nur Brot und Nudeln, sondern sogar glutenfreie Kekse, Pizza und Bier stapeln sich da. Als Zöliakiebetroffene freue ich mich natürlich über die Auswahl – aber manchmal frage ich mich auch: Brauchen das wirklich alle, die danach greifen?
Denn ich sehe immer öfter Menschen, die glutenfrei als den neuen Gesundheitstrend betrachten. „Glutenfrei ist gesünder“, hört man dann, oder „Damit nimmt man schneller ab“. Aber stimmt das eigentlich? Spoiler: Es ist komplizierter als die Werbung uns glauben machen will!
Was steckt hinter dem glutenfreien Hype?
Glutenfrei bedeutet erst mal nur: Ohne Weizen, Roggen und Gerste. Stattdessen werden Alternativen wie Reis, Mais, Hirse oder Pseudogetreide wie Quinoa und Buchweizen verwendet und speziell angebauter und verarbeiteter Hafer.
Für Menschen wie mich mit Zöliakie sind diese Produkte überlebenswichtig. Unser Körper reagiert auf das Klebereiweiß Gluten mit einer Autoimmunreaktion, die den Dünndarm angreift und zerstört. Aber in den letzten Jahren ist daraus ein regelrechter Lifestyle-Trend geworden.
Die Versprechen klingen verlockend:
- „Glutenfrei ist besser für den Darm“
- „Du fühlst dich leichter und fitter“
- „Glutenfrei hilft beim Abnehmen“
Klingt gut, oder? Aber wie so oft im Leben ist die Wahrheit etwas komplizierter.
Warum Bücher und Promis den glutenfreien Mythos befeuern
Und mal ehrlich: Der Hype kommt ja nicht nur von der Werbung, sondern auch von Büchern wie „Die Weizenwampe“, die Gluten und Weizen praktisch zum Wurzel allen Übels erklärt haben. Plötzlich galt Weizen als Dickmacher Nummer eins, verantwortlich für alles von Bauchfett bis Brain Fog – und das klang natürlich für viele verlockend einfach. Dazu noch ein paar Promis, die öffentlich schwören, dass sie glutenfrei fitter, schlanker und schöner sind, und schon hat man das perfekte Lifestyle-Rezept. Kombiniert mit Trends wie „Clean Eating“ oder „Detox“ entsteht schnell das Bild: Wer glutenfrei lebt, macht automatisch alles richtig für seine Gesundheit. Die Realität sieht dagegen leider oft viel banaler (und nährstoffärmer) aus.

Was dir keiner über glutenfreie Ersatzprodukte erzählt
Nach Jahren des glutenfreien Lebens kann ich dir sagen: Es ist nicht alles Gold, was glitzert!
Nicht automatisch gesünder
Viele glutenfreie Ersatzprodukte sind hochverarbeitet. Damit sie schmecken wie das Original, stecken oft mehr Zucker, Fett oder Zusatzstoffe drin als im glutenhaltigen Pendant.
Weniger Nährstoffe
Normales Vollkornbrot versorgt dich mit Ballaststoffen, Eisen und B-Vitaminen. Viele glutenfreie Alternativen bestehen hauptsächlich aus Stärke – Reismehl oder Maisstärke machen zwar satt, aber nicht lange und nicht nahrhaft.
Der Preisschock
Glutenfreie Produkte kosten oft das Doppelte oder Dreifache! Ein glutenfreies Brot für 4-5 Euro ist keine Seltenheit. Als Familie mit chronischen Erkrankungen spürt man das im Geldbeutel.
Unnötig für die meisten
Wer keine Zöliakie oder Glutenunverträglichkeit hat, profitiert gesundheitlich nicht vom glutenfreien Lifestyle. Manche fühlen sich sogar schlechter, wenn sie unüberlegt auf glutenfreie Fertigprodukte umsteigen.
Meine ehrliche Meinung als Betroffene
Als Zöliakiebetroffene bin ich unendlich dankbar für die Auswahl an glutenfreien Produkten. Ohne sie könnte ich nicht so normal leben, wie ich es heute tue. Aber ich sehe auch, wie Marketing „glutenfrei“ zum Wunderlabel macht – und das macht mich manchmal traurig.
Denn dadurch entstehen Vorurteile: „Ach, die macht das nur, weil’s gerade trendy ist.“ Dabei ist es für mich und viele andere eine medizinische Notwendigkeit, nicht der neueste Wellness-Trend.
Die Wahrheit ist: Glutenfrei ist überlebenswichtig für manche – aber kein automatischer Weg zu mehr Gesundheit für alle.

Die praktische glutenfreie Ernährung
Einfach ausprobieren? Nein!
Falls du den Verdacht hast, auf Gluten zu reagieren, stell deine Ernährung nicht einfach auf glutenfrei um. Sondern bemühe dich um eine Diagnose. Warum diese so wichtig ist, erfährst du hier!
Falls du glutenfrei leben musst
Konzentriere dich auf natürlich glutenfreie Lebensmittel wie Kartoffeln, Reis, Gemüse und Fleisch. Die sind meist günstiger und nährstoffreicher als Ersatzprodukte.
Beim Einkaufen
Schau auf die Zutatenliste, nicht nur aufs Label. Je kürzer die Liste, desto besser. Reis, Mais, Quinoa und Kartoffeln sind top – ein Dutzend Zusatzstoffe eher weniger.
Selber machen
Mit glutenfreien Mehlen wie Buchweizen, Teff oder Mandelmehl kannst du nährstoffreichere Alternativen backen. Das dauert zwar länger, aber du weißt genau, was drin ist. Rezepte findest du auch hier im Blog, z.B. ist mein skandinavisches Steinzeitbrot sehr beliebt!
Denk immer daran: „Glutenfrei“ ist kein Garant für Gesundheit – genauso wenig wie „zuckerfrei“ oder „fettarm“. Am Ende zählt, ob ein Lebensmittel wirklich gut für deinen Körper ist.
Über die Autorin
Julia Stüber ist zertifizierte Health & Wellness Coach (CPD), Ernährungsberaterin und Autorin. Mit über 15 Jahren Erfahrung schreibt sie über chronische Erkrankungen, Ernährung, Selbstfürsorge und kreative Bewältigungsstrategien. Als selbst Betroffene von ME/CFS und Zöliakie verbindet sie persönliche Erfahrung mit fundiertem Fachwissen.Mehr über Julia erfahren | Newsletter abonnieren
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