Auch diese Woche hat Judith bei den VIB (Very important blogs) eine interessante Aufgabe gestellt: wir sollen einen Blog darüber schreiben, was wir bewirken möchten. Eine Frage, die mich zum Nachdenken gebracht hat – denn manchmal verliert man im Alltag aus den Augen, warum man eigentlich schreibt. Also: Was möchte ich eigentlich bewirken?
Optimismus ohne Augenwischerei
„chronisch optimistisch“ – mein Untertitel für den Blog und der Titel meines Newsletters mag für manche wie ein Widerspruch klingen. Für mich ist es meine Lebenshaltung. Ich will Hoffnung machen, aber nicht die Art Hoffnung, die nur wie ein Pflaster über Schmerz, Erschöpfung oder Angst geklebt wird. Sondern eine ehrliche Hoffnung, die sagt: Du darfst hadern. Du darfst verzweifeln. Aber du darfst auch lachen. Du darfst Glitzer im Grau finden. Und du darfst trotz allem kleine Träume behalten.
Ich weiß, wie es ist, wenn alles zu viel ist – der Körper, die Reize, das Funktionieren-Müssen. Aber ich weiß auch, wie es sich anfühlt, wenn das Licht durch einen winzigen Spalt fällt. Wenn ein guter Tag kommt, gegen jede Erwartung. Wenn man für einen Moment vergisst, wie viel man gerade nicht kann – weil man etwas Kleines genießen kann: eine Tasse Tee, eine gute Serie, das Gefühl, verstanden zu werden.
Deshalb denke ich Hoffnung anders. Nicht als „wird schon wieder“, sondern als „ich finde einen Weg, der zu mir passt“. Das ist für mich Optimismus – radikal und ehrlich.
Aufklären statt abwimmeln
Wenn ich über ME/CFS schreibe, dann nicht nur, weil ich betroffen bin, sondern weil ich weiß, wie dringend Aufklärung nötig ist. Die meisten Menschen haben keine Vorstellung, was diese Krankheit bedeutet. Wie umfassend sie das Leben verändert. Wie zermürbend es ist, ständig nicht ernst genommen zu werden. Zu oft hören wir: „Das ist doch nur Erschöpfung.“ „Du musst einfach mal raus.“ „Hast du’s mal mit Yoga versucht?“

Diesem Framing setze ich etwas entgegen: Ich kläre Missverständnisse auf, bereite medizinische Fakten laienverständlich auf und zeige: Nein, das ist keine Einbildung. Nein, das ist nicht selten. Nein, das ist vor allem nicht psychosomatisch. Und ja – das System versagt hier täglich.
Manchmal ist ein Blogartikel der erste Schritt zu mehr Verständnis. Andere Betroffene finden sich in meinen Texten wieder und fühlen sich verstanden. Außenstehende, Ärzt:innen, Angehörige haben vielleicht einen Aha-Moment. Denn wer informiert ist, urteilt seltener vorschnell.
Hilfe zur Selbsthilfe
Ich möchte weder Coaching verkaufen noch Wunderheilungen versprechen. Aber ich teile gern Werkzeuge, die mir geholfen haben – weil ich weiß, wie wertvoll es ist, sich nicht mehr so ausgeliefert zu fühlen. Früher habe ich Selbsthilfegruppen geleitet, was ich aus gesundheitlichen Gründen leider nicht mehr kann.
Deshalb schreibe ich über Akzeptanz, Achtsamkeit, Journaling, Pacing und vielem mehr. Dabei ist mir wichtig, dass es alltagstauglich für Menschen mit chronischen Erkrankungen ist und keine unerreichbaren Dinge enthält wie z.B. der „Miracle Morning“. Das habe ich versucht und mir dabei meinen Schlafrhythmus kaputt gemacht. So habe ich gelernt: Kleine, regelmäßige Impulse bewirken oft mehr als ein großes, nicht umsetzbares Ziel.
Denn genau das ist mein Alltag, den ich nicht „mastere“, durchtackte und immer und ständig produktiv sein muss. Sondern weil ich weiß, wie es ist, aufzuwachen und das Gefühl zu haben: „Heute geht nichts.“ Und wie befreiend es sein kann, dann ein System zu haben, das mitgeht: Ein paar Fragen. Ein paar Seiten im Journal. Ein Reminder: „Auch das ist ein Tag. Du bist trotzdem wertvoll.“
Wenn ich anderen Betroffenen so ein kleines Stück Struktur geben kann – angepasst an ihre Realität – dann ist das genau das, was ich mir wünsche: Hilfe zur Selbsthilfe, mit Herz und Verstand.
Schreiben als Schnecke
Ich arbeite langsam. Nicht, weil ich unorganisiert bin – ganz im Gegenteil! Ich führe ein Bullet Journal und ich nutze die „HB90“-Methode von Sarra Cannon speziell für Autoren, bei der man immer nur 3 Monate plant.
Ich arbeite auch nicht langsam, weil ich keine Lust habe – auch hier ganz im Gegenteil! Sondern weil mein Körper mir diese Geschwindigkeit vorgibt. Ich schreibe in Etappen, mit vielen Pausen. Und trotzdem – oder gerade deshalb – veröffentliche ich Bücher, Blogbeiträge, Newsletter. Nicht jeden Tag, aber stetig.
Kreativität braucht kein Vollgas, sie braucht Raum, Geduld und die Erlaubnis, unperfekt zu sein. Viele chronisch kranke Menschen haben sich selbst aus dem „produktiven Leben“ ausgeschlossen, weil sie denken: Ich schaffe ja nichts. Aber du darfst deine Definition von Erfolg ändern! Ich krieche im Schneckentempo ans Ziel – und bin trotzdem stolz auf mich. Oder gerade deswegen.
So möchte ich zeigen: Der langsame, nachhaltige Weg ist genauso wertvoll wie der schnelle. Wir dürfen feiern, was möglich ist – nicht trauern, was unmöglich bleibt.

Sichtbarkeit trotz Erschöpfung
Ich könnte auch still sein. Es wäre so viel einfacher und energiesparender. Aber ich schreibe, weil ich weiß, wie wichtig das ist. Und weil ich mir oft gewünscht habe, jemanden zu sehen, der trotzdem schreibt. Der trotzdem veröffentlicht. Und der trotzdem lacht.
Ich bin sichtbar – mit Augenringen, mit wenigen Löffeln und mit einer Stimme, die manchmal wackelt. Aber ich bin da. Und andere sollen wissen: Auch du darfst dich zeigen. Du brauchst kein Hochglanzleben auf Instagram, um etwas zu sagen zu haben. Du brauchst nur den Mut, deine Wahrheit zu teilen.
Als Community wollen wir wahrgenommen werden. Unsere Themen sollen nicht weggelächelt werden. Und Sichtbarkeit darf auch langsam, leise und erschöpft sein.
Was bleibt: Mein Vermächtnis
Ich hoffe, dass mein Blog und meine Bücher über meine eigene Lebenszeit hinaus Menschen erreichen. Dass jemand auf einen Beitrag stößt, an einem schlechten Tag, und sich plötzlich ein Stück weniger allein fühlt. Dass meine Texte helfen, besser mit sich selbst umzugehen – oder besser mit anderen. Meine Stimme soll etwas ins Rollen bringen. Nicht laut, nicht gewaltig, aber beständig. Wie Wasser, das über Jahre Stein formt. Wenn ich mit meinen Texten ein kleines Licht anzünden kann – dann ist das mehr, als ich mir je erträumt habe.
Über die Autorin
Julia Stüber ist zertifizierte Health & Wellness Coach (CPD), Ernährungsberaterin und Autorin. Mit über 15 Jahren Erfahrung schreibt sie über chronische Erkrankungen, Ernährung, Selbstfürsorge und kreative Bewältigungsstrategien. Als selbst Betroffene von ME/CFS und Zöliakie verbindet sie persönliche Erfahrung mit fundiertem Fachwissen.Mehr über Julia erfahren | Newsletter abonnieren
[…] chronisch optimistisch: Was ich mit meinen Texten bewirken will […]
Danke für diese ehrliche Haltung. Es ist kein entweder oder und vor allem finde ich es so wichtig, dass wir unseren Wert nicht an unserer Leistungsfähigkeit festmachen. Ich hoffe auch, dass deine Botschaft noch lange nachklingt und wünsche dir, dass du in möglichst vielen Menschen ein Licht anzündest.